Salzwerk-Wyhlen AG Am Schacht

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Alte Industrie


Klassikanderswo: Geschichte und Geschichten vom Schacht

Am Schacht - Ein Gebiet im Dornröschenschlaf

Artikel von Kurt Paulus für die Broschüre von Klassikanderswo 2015

Ganz im Süden der Gemarkung Wyhlen, nahe dem Rhein, liegt fast vergessen, das Gebiet "Am Schacht". Sechs Häuser, jeweils durch nur eine einzige Mauer getrennt, im Stil von Shedbauten, sind offensichtlich dem Verfall preisgegeben. Einige dienen noch als Lagerräume für Vereine, eines scheint sogar sporadisch bewohnt zu sein. Die umgebenden Brombeerhecken und Büsche wecken Assoziationen zu Grimms Märchen. So weit es aus dem Bewusstsein der Wyhlener auch entschwunden ist, so wichtig war dieses Gebiet für die Industrialisierung kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert, als das tief katholische Bauerndorf eine Bahnstation bekam und sich wirtschaftlich zu entwickeln begann. Unten am Rhein müsste es Steinsalz geben, wusste der Gemeinderat. Dies hatte der Basler Wissenschaftler Peter Merian bereits 1821 postuliert und der Geologe Glenck einige Jahre später, im Jahr 1832 aufgegriffen. Seinen damaligen Antrag nach einer Konzession zur Förderung des begehrten Stoffes wurde von der Baden Durlacher Regierung desinteressiert zur Kenntnis genommen und abgelehnt. Der Wyhlener Gemeinderat liess sich von dieser Absage jedoch nicht beirren und bekam die Zustimmung der Regierung, als private Unternehmer einsteigen wollten. So begann 1874 die Industrialisierung Wyhlens mit der Suche nach Steinsalz, das von der zeitgleich gegründeten Salzwerk Wyhlen AG für die kommende Herstellung von Waschsoda und Schwefelsäure benötigt wurde.

Der Plan war, das Salz bergmännisch, also mit Schaufel, Schlegel und Meißel zu erschließen. Man begann im Jahre 1875 den Salzstock zu sondieren und wurde endlich in verschiedenen Schächten zwischen 120 und 150 m Tiefe fündig.

Die zunächst euphorischen Fachleute hatten aber die geologischen Schwierigkeiten gründlich unterschätzt. Nach einer Reihe von Wassereinbrüchen ging das Geld aus, die Stollen wurden geschlossen und die Unternehmer meldeten Konkurs an.

Die  Alternative zum bergmännischen Abbau war die Gewinnung von Salz durch eine vollgesättigte Sole. Dabei wird im sogenannten Bohrlochverfahren  planmäßig Wasser, das im nahen Rhein ja reichlich vorhanden ist, über ein Bohrloch zum Salzstock gebracht. Dadurch wird das Salz gelöst und anschließend die gesättigte Sole zutage gefördert. Dieses Verfahren wendete Ernest Solvay an, der 1876 die insolvente Firma übernahm und 1880 die Sodaproduktion mit dem nach ihm benannten Verfahren aufbaute.  Das Unternehmen trug den Namen „Solvay Wyhlen“.  Ebenso wichtig wie das Salz für die Herstellung von Soda, war der Muschelkalk, gewonnen im Wyhlener Steinbruch, der seither den Namen Solvay-Steinbruch trägt.

Die „Solvay“ war, nach den Misserfolgen der Salzwerk Wyhlen AG, die erste Sodafabrik in Deutschland und die erste industrielle Firma in Wyhlen. Sie wurde 1958 geschlossen, als sie rote Zahlen schrieb.  Übrigens: von den reichen Wyhlener Salzfunden angespornt, suchte man auch in Grenzach danach – und fand das berühmte Heilwasser.

 

 

Broschüre: Klassikanderswo 2015 "Schicht im Schacht"